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Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null

Apr 30, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit „Null“ keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen.

Die Arbeitnehmerin ist beim Arbeitgeber, einem Unternehmen der Systemgastronomie, mit einer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von drei Tagen pro Woche und einem Urlaubsanspruch von insgesamt 28 Werktagen, anteilig also 14 Arbeitstagen, beschäftigt. Anlässlich der Covid-19-Pandemie vereinbarten die Parteien Kurzarbeit. Nach Verbrauch des Resturlaubs aus den Vorjahren war die Klägerin ab Juni 2020 in Kurzarbeit Null. In August und September erhielt sie insgesamt 23 Werktage/ 11,5 Arbeitstage Urlaub. Die Arbeitnehmerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihr noch weitere 5 Werktage/ 2,5 Arbeitstage Urlaub zustünden.
Entscheidung:

Das LAG Düsseldorf führt zunächst aus, dass das Entstehen des Urlaubsanspruchs an sich lediglich den Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Für die Höhe des Urlaubsanspruchs kommt es aber auf die bestehende Arbeitspflicht an. Denn der Zweck des Urlaubs, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, „sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen“, kann nur erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat. Dies gilt ausdrücklich nicht für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen ruht. Ist der Arbeitnehmer durch Kurzarbeit Null von der Arbeitspflicht befreit, bedarf es nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG keines Urlaubs. Der Arbeitgeber konnte daher den Urlaub anteilig kürzen.
Die Revision wurde zugelassen.

Praxishinweis
Das LAG Düsseldorf stellt klar: Die Minderung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit „Null“ erfolgt kraft Gesetzes! Es bedarf hierfür keiner zusätzlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Betriebsrat. Damit werden die Arbeitgeber zumindest hinsichtlich der Anzahl der Urlaubstage entlastet – die Höhe des Urlaubsentgelts darf nach der Rechtsprechung des EuGH auch während der Kurzarbeit nicht gekürzt werden, vgl. EuGH, Urteil vom 13.12.2018 – Rs. C-385/17!

Rechtsanwältin Dr. Ute Schmidt
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Sozialrecht
Maître en Droit

 

Digitale Unterschrift im Arbeitsrecht

Apr 16, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Die Digitalisierung schreite voran, viele Mitarbeiter befinden sich aufgrund der COVID19-Restriktionen  im Home-Office, ein persönlicher Kontakt ist nicht möglich: für den Rechtsverkehr drängt sich die Nutzung der digitalen Unterschrift zur Verkürzung und Vereinfachung von Erklärungen und Verträgen als sachgerechter Weg nahezu auf. Aber Vorsicht: Gerade bei der Begründung und Durchführung von Arbeitsverhältnissen ist bei der Verwendung digitaler Unterschriften zumindest eine gewisse Achtsamkeit geboten. In einigen Fällen (z.B. befristete Arbeitsverträge § 14 IV TzBfG, ohne Einhaltung der Schriftform wird immer ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen!!!)  schreibt das Gesetz die Schriftform vor, die nur zum Teil mit einer sog. qualifizierten elektronischen Signatur ersetzt werden kann. Zum Teil ist die elektronische Form sogar gänzlich ausgeschlossen.

Grundsätzlich wird zwischen drei Arten der digitalen Signatur unterschieden:

  • (Einfache) elektronische Signatur,
  • Fortgeschrittene elektronische Signatur,
  • Qualifizierte elektronische Signatur.

Jede dieser drei Signaturen ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, die verschiedenen Sicherheitsstufen entsprechen. Die Anforderungen, die an die jeweilige Signatur gestellt werden, ergeben sich aus der europäischen eIDAS Verordnung. Auf Grund ihres Charakters als Verordnung gilt sie ohne weitere Umsetzung des deutschen Gesetzgebers unmittelbar.

Nach der gesetzlichen Definition sind (einfache) elektronische Signaturen Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet (Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO). Dies kann bspw. bereits bei einer E-Mail Signatur oder einer eingescannten Unterschrift der Fall sein. Das von Ihnen beabsichtigte vorgehen entspricht dieser einfachen elektronischen Signatur.

Für die fortgeschrittene elektronische Signatur sind bereits deutlich gesteigerte Anforderungen zu erfüllen. Die zu erfüllenden Kernmerkmale sind, dass diese Signatur eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet werden kann und die Identifizierung des Unterzeichners ermöglicht wird (Art. 3 Nr. 11, 26 eIDAS-VO). Außerdem muss gewährleistet sein, dass nachträgliche Veränderungen erkannt werden können.

Bleibt letztlich noch die qualifizierte elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 12, 15, 23 eIDAS-VO. Um den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur zu genügen, muss eine Signatur alle Merkmale der fortgeschrittenen Signatur aufweisen. Zusätzlich muss sie von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt worden sein und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruhen. Qualifizierte Zertifikate können wiederum nur von sog. Vertrauensdiensteanbietern ausgestellt werden, die den Antragsteller anhand geeigneter Mittel identifizieren. Sie können außerdem nur an natürliche Personen ausgestellt werden, nicht etwa an juristische Personen wie eine GmbH oder Aktiengesellschaft. Eine Liste der deutschen Vertrauensdiensteanbieter findet sich auf der Homepage der Bundesnetzagentur.

Schreibt das Gesetz die Schriftform – also die eigenhändige Unterschrift vor – kann diese allenfalls durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Denn nur die qualifizierte elektronische Signatur erfüllt die Anforderungen an die sog. elektronische Form nach § 126a BGB. Die elektronische Form ist wiederum als einzige Alternative zur Schriftform gesetzlich zulässig, wenn sich nicht aus den gesetzlichen Vorschriften etwas anderes ergibt.

Sofern ein Arbeitsvertrag überhaupt der Schriftform bedarf (vgl. z.B.  § 14 IV TzBfG), so kann die eigenhändige Unterschrift nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der für den Abschluss des Vertrages bevollmächtigte Mitarbeiter über eine solche Signatur verfügt. Die qualifizierte elektronische Signatur kann nur eine Person bei einer sogenannten Vertrauensdiensteanbieter persönlich beantragen. Die  Vertrauensdiensteanbieter sind auf der Website der Bundesnetzagentur aufgeführt: Bundesnetzagentur – Signatur

Für die Einhaltung der Schriftform bei Verträgen durch eine „elektronische“ Unterschrift müssen die Parteien unter dem Dokument ihren Namen hinzufügen und jede Partei muss das Dokument anschließend mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

Ausgeschlossen ist eine Ersetzung der Schriftform durch eine elektronische Signatur bezogen auf den Bereich des Arbeitsrechts für die Kündigung eines Arbeitsvertrags. Nach § 623 BGB hat die Kündigung schriftlich zu erfolgen. Die elektronische Form ist dabei nach dem Gesetz ausgeschlossen (§ 623 2. HS BGB). Dies gilt auch für den Aufhebungsvertrag. Auch ein solcher kann nicht mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichnet werden.

Für den Bereich des Arbeitsrechts ist die digitale Unterschrift gegenwärtig nur in einigen Bereichen formal zulässig und zu empfehlen. Bei einer Vielzahl von Verträgen und Erklärungen (insbesondere bei so wichtigen Verträgen wie Befristungen und bei Kündigungen) ist dies jedoch gegenwärtig nicht der Fall.

Rechtsanwalt Dr. Thilo H. Korn LL.M.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht

Nachweis der Zustellung von einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)

Apr 9, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht, Zivilrecht  //  No Comments

Der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens ist vom Auslieferungsbeleg zu unterscheiden. Aus dem Sendungsstatus geht nicht der Name des Zustellers hervor und er beinhaltet auch keine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reicht nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs der Postsendung zu begründen.

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.9.2020 – 3 Sa 38/19

Der Arbeitgeber hatte eine Kündigung mit Einwurf-Einschreiben zugestellt. Der Arbeitnehmer betritt den (fristgemäßen) Zugang. Im Prozess konnte der Arbeitgeber nur den Einlieferungsbeleg und den von der Post übermittelten Sendungsstatus mit Zustellung vorlegen. Das Gericht verneinte den Nachweis der Zustellung und gab der Klage allein aus formalen Gründen statt.

Das Wirksamwerden einer abgegebenen Willenserklärung richtet sich nach § 130 I 1 BGB. Danach wird eine einem Abwesenden gegenüber abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Zugegangen ist eine Willenserklärung dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies ist bei Briefen in der Regel bereits mit dem Einwurf in den Briefkasten bzw. dem Einlegen ins Postfach der Fall, jedenfalls aber am darauffolgenden Werktag. Eine Mitwirkung des Empfängers – sei es durch die Entgegennahme oder das Abholen in der Postfiliale bei zunächst erfolglosem Zustellversuch – ist für den Zugang nicht erforderlich.

Allerdings ist prozessual der Versender für den ordnungsgemäßen Zugang einer Sendung beweisbelastet. In Prozessen wird häufig der Zugang an sich oder der Zugangszeitpunkt (z.B. bei fristgebundenen Willenserklärungen bestritten. Da sich der Nachweis eines Zugangs bei einem normalen Brief nicht nachweisen lässt, wird oft das Einwurfeinschreiben zum Nachweis des Zugangs gewählt – von einem Einschreiben mit Rückschein ist dringend abzuraten, da dessen Zugang die aktive Mitwirkung des Adressaten durch Annahme voraussetzt, der Zugang eines Benachrichtigungsscheins im Briefkasten ersetzt nicht den Zugang des Schreibens, in der Praxis werden „problematische“ Schreiben häufig nicht abgeholt!

Seit Einführung des Einwurf-Einschreibens vor über 20 Jahren ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Verwenden des Einwurf-Einschreibens ein Anscheinsbeweis für den Zugang vorliegt (vgl. dazu näher Ante -Der Zugangsnachweis bei Einwurf-Einschreiben- NJW 2020, 3487). Während sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Nachgang zu einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2016 (BGHZ 212, 104 = NJW 2017,  68 = NZG 2016, 1417) eine weitgehend einheitliche Linie für einen Anscheinsbeweis bei Vorliegen von Einlieferungsbeleg und Reproduktion des Auslieferungsbelegs sowie ordnungsgemäß durchgeführtem Verfahren durchgesetzt hat, ist die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit bisher uneinheitlich (vgl. etwa aus jüngerer Zeit für einen Anscheinsbeweis LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 12.3.2019 – 2 Sa 139/18, BeckRS 2019, 18247 Rn.36, gegen einen solchen ArbG Düsseldorf v. 22.2.2019 – 14 Ca 465/19, BeckRS 2019, 17926 Rn. 37; offengelassen LAG Düsseldorf v. 24.10.2018 –12 Sa 106/18, BeckRS 2018,43640 Rn.38).

Praxishinweis

Ein Einwurfeinschreiben begründet zwar regelmäßig den Anscheinsbeweis der Zustellung, aber leider nicht immer (vgl. insgesamt Ante -Der Zugangsnachweis bei Einwurf-Einschreiben – NJW 2020, 3487). Es ist hierzu zumindest nach Auffassung vieler Arbeitsgerichte auch der Auslieferungsbeleg erforderlich. Dieser sollte immer abgefordert werden. Bei wichtigen fristgebundenen Erklärungen sollte aber immer der persönlichen Übergabe oder Zustellung der Vorzug gegeben werden. Das mag lästig oder aufwendig sein, ist aber immer günstiger als ein verlorener Prozess. Bei abwesenden Empfängern am besten zu zweit (damit Zeugen vorhanden sind), ein Handyfoto vom Briefkasten und Einwurf, eine kurze Aktennotiz -fertig. Zudem hat man gleichzeitig das Problem umgangen bzw. erkennt es rechtzeitig, dass kein beschrifteter Briefkasten unter der bekannten Anschrift vorhanden ist und deswegen die Zustellung nicht erfolgen kann. Es ist nicht selten, dass Empfänger bei der Erwartung unliebsamer Post den Namen vom Briefkasten entfernen. Ebenso wird oft behauptet, die Post sei bei einem namensgleichen (verwandten) Hausbewohner eingeworfen worden und nicht zugegangen. Diese Fehlerquellen können durch persönliche Zustellung leicht erkannt werden.

Rechtsanwalt Dr. Thilo H. Korn LL.M.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht