Anpassung Arbeitsverträge ab 01.08.2022 aufgrund gesetzlicher Änderungen im Nachweisgesetz – Zwingender Handlungsbedarf für alle Arbeitgeber!!!

Jun 27, 2022   //   von tkorn   //   Arbeitsrecht, Arbeitsrecht

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 23.06.2022 den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union verabschiedet (Richtlinie 219/1152), die Umsetzungsfrist endet bereits zum 31.07.2022. Das Gesetz tritt zum 01.08.2022 in Kraft.

1. Gegenstand der Neuregelungen

Die Neufassung sieht mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 EUR gem. § 4 NachweisG nF für einen Verstoß gegen das Gesetz erstmalig eine Sanktionsregelung vor. Weiterhin dürften die schon bislang von den Arbeitsgerichten entwickelten beweisrechtlichen Folgen und Schadensersatzansprüche für die Praxis von erheblicher Relevanz bleiben.

Von größerer Bedeutung ist, dass der Inhalt des Nachweises teilweise deutlich ausgedehnt wird. Von Bedeutung sind besonders die folgenden Ergänzungen des § 2 I 2 NachweisG nF, die in Ihren Arbeitsverträgen aufgenommen bzw. präzisiert werden müssen:

„7. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,

8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen,

10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,

14. das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 KSchG des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden“.

Für bestimmte Regelungsgegenstände – § 2 I 2 Nr. 6 bis 8 und 10 bis 14 NachweisG nF – sieht § 2 IV NachweisG nF vor, dass der Arbeitgeber auf die „auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen“ verweisen darf.

2. Umsetzung der Neuregelungen

Für die Umsetzung regelt § 2 I 3 NachweisG nF, dass bei Neueinstellungen der Nachweis in mehreren Schritten im Zeitraum vom ersten Tag der Arbeitsleistung bis zu einem Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses vorzuliegen hat. Für Altarbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse bereits vor dem 01.08.2022 bestanden, ist der Nachweis für die Ziffern 1-10 innerhalb von sieben Tagen nach Zugang einer Aufforderung hierzu durch den Arbeitnehmer und für die restlichen Angaben einen Monat nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen (§5 I NachweisG nF).

Für die Form des Nachweises ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber diesen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat (§ 2 I 1 NachweisG nF). Der Gesetzgeber ist hier noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen! Die elektronische Form oder Textform genügt nicht!!! Die Möglichkeit, der Nachweispflicht durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag nachzukommen, bleibt erhalten (§2 V NachweisG nF).

Die meisten Verträge genügen diesen Anforderungen nicht, es ist also ein ergänzender Hinweis aufzunehmen. Ein Teil der Anforderungen ist allerdings kaum erfüllbar (wie z.B. das Verfahren der Beteiligung verschiedener Gremien bei Kündigungen und der hiermit verbundene Fristenlauf) bzw. unklar, wie genau die Umsetzung erfolgen soll. Hier bleibt auch die gerichtliche Praxis abzuwarten.

Ihre Arbeitsverträge sollten nach folgender Maßgabe überprüft werden:

 

Checkliste

(kursiv dargestellte Textpassagen sind Neuerungen durch das NachweisG)

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • Der Arbeitsort oder ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann
  • Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
  • Dauer der Probezeit, sofern vereinbart
  • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie Art der Auszahlung
  • Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten
  • Bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • Sofern vereinbart die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
  • Die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  • Name und Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt
  • Kündigungsfristen
  • Schriftformerfordernis von Kündigung und Auflösungsvertrag, § 623 BGB
  • Klagefrist für Kündigungsschutzklage, § 4 KSchG
  • Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
  • Nur bei Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG: (a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, (b) die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, (c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, (d) die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat

 

Nach der Überprüfung und inhaltlichen Ergänzung sollte die rechtliche Richtigkeit zw. Vertretbarkeit geprüft werden. Gerne unterstützen wir Sie hier bei allen Verfahrensschritten. Auf die Personalabteilungen wird hier aber ein nicht zu unterschätzender Anpassungsaufwand zukommen.

Rechtsanwalt Dr. Thilo H. Korn LL.M.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Master of Laws (University of Sydney)