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Entschädigungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers wegen Verletzung der Meldepflicht freier Arbeitsplätze

Dez 13, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Leitsatz

Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet regelmäßig die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der/die erfolglose schwerbehinderte Bewerber/in im Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Zu diesen Vorschriften gehört § 165 Satz 1 SGB IX, wonach die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Um dieser Bestimmung zu genügen, reicht allein die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit nicht aus.

Sachverhalt

Im November 2017 veröffentlichte der beklagte Landkreis über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot für eine/n „Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)“ ab 01.02.2018.

Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich im November 2017 unter Angabe seiner Schwerbehinderung ohne Erfolg auf die ausgeschriebene Stelle. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Mit Schreiben vom 11. April 2018 wurde ihm mitgeteilt, dass sich der beklagte Landkreis für einen anderen Bewerber entschieden habe.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger gegenüber dem beklagten Landkreis einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Entscheidung

Das BAG gab dem Kläger Recht: Der beklagte Landkreis hatte es entgegen § 165 Satz 1 SGB IX unterlassen, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitsplatz der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit stellt keine Meldung iSv. § 165 Satz 1 SGB IX dar. Der Umstand der unterlassenen Meldung begründet die Vermutung, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Der Kläger hat deshalb Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gem. § 15 AGG. (BAG, Urteil vom 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Quelle: Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de).

Praxishinweis

Nachdem es lange ruhig war um das AGG, zeigt diese Entscheidung wieder eine erhebliche Hebelwirkung: Es genügt demnach, dass der Arbeitnehmer darlegt, dass der öffentliche Arbeitgeber Vorschriften, die zum Schutz behinderter Arbeitnehmer eingeführt wurden, verletzt, um die Vermutung für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung zu begründen. Aus welchen Gründen es dem Arbeitgeber nicht gelang, die Vermutung des § 22 AGG zu entkräften, wird wohl erst die Veröffentlichung des Urteils im Volltext zeigen.

Öffentliche Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie die Agentur für Arbeit frühzeitig über Stellen unterrichten, die extern ausgeschrieben werden sollen. Dabei kann der beabsichtigte Text der Stellenausschreibung zwar verwendet werden. Dieser muss der Agentur aber zunächst nach § 165 SGB IX übermittelt werden. Erst dann darf die offizielle Ausschreibung beginnen.

Rechtsanwältin Dr. Ute Schmidt
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Sozialrecht
Maître en Droit