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Nachweis der Zustellung von einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)

Apr 9, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht, Zivilrecht  //  No Comments

Der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens ist vom Auslieferungsbeleg zu unterscheiden. Aus dem Sendungsstatus geht nicht der Name des Zustellers hervor und er beinhaltet auch keine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reicht nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs der Postsendung zu begründen.

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.9.2020 – 3 Sa 38/19

Der Arbeitgeber hatte eine Kündigung mit Einwurf-Einschreiben zugestellt. Der Arbeitnehmer betritt den (fristgemäßen) Zugang. Im Prozess konnte der Arbeitgeber nur den Einlieferungsbeleg und den von der Post übermittelten Sendungsstatus mit Zustellung vorlegen. Das Gericht verneinte den Nachweis der Zustellung und gab der Klage allein aus formalen Gründen statt.

Das Wirksamwerden einer abgegebenen Willenserklärung richtet sich nach § 130 I 1 BGB. Danach wird eine einem Abwesenden gegenüber abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Zugegangen ist eine Willenserklärung dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies ist bei Briefen in der Regel bereits mit dem Einwurf in den Briefkasten bzw. dem Einlegen ins Postfach der Fall, jedenfalls aber am darauffolgenden Werktag. Eine Mitwirkung des Empfängers – sei es durch die Entgegennahme oder das Abholen in der Postfiliale bei zunächst erfolglosem Zustellversuch – ist für den Zugang nicht erforderlich.

Allerdings ist prozessual der Versender für den ordnungsgemäßen Zugang einer Sendung beweisbelastet. In Prozessen wird häufig der Zugang an sich oder der Zugangszeitpunkt (z.B. bei fristgebundenen Willenserklärungen bestritten. Da sich der Nachweis eines Zugangs bei einem normalen Brief nicht nachweisen lässt, wird oft das Einwurfeinschreiben zum Nachweis des Zugangs gewählt – von einem Einschreiben mit Rückschein ist dringend abzuraten, da dessen Zugang die aktive Mitwirkung des Adressaten durch Annahme voraussetzt, der Zugang eines Benachrichtigungsscheins im Briefkasten ersetzt nicht den Zugang des Schreibens, in der Praxis werden „problematische“ Schreiben häufig nicht abgeholt!

Seit Einführung des Einwurf-Einschreibens vor über 20 Jahren ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Verwenden des Einwurf-Einschreibens ein Anscheinsbeweis für den Zugang vorliegt (vgl. dazu näher Ante -Der Zugangsnachweis bei Einwurf-Einschreiben- NJW 2020, 3487). Während sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Nachgang zu einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2016 (BGHZ 212, 104 = NJW 2017,  68 = NZG 2016, 1417) eine weitgehend einheitliche Linie für einen Anscheinsbeweis bei Vorliegen von Einlieferungsbeleg und Reproduktion des Auslieferungsbelegs sowie ordnungsgemäß durchgeführtem Verfahren durchgesetzt hat, ist die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit bisher uneinheitlich (vgl. etwa aus jüngerer Zeit für einen Anscheinsbeweis LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 12.3.2019 – 2 Sa 139/18, BeckRS 2019, 18247 Rn.36, gegen einen solchen ArbG Düsseldorf v. 22.2.2019 – 14 Ca 465/19, BeckRS 2019, 17926 Rn. 37; offengelassen LAG Düsseldorf v. 24.10.2018 –12 Sa 106/18, BeckRS 2018,43640 Rn.38).

Praxishinweis

Ein Einwurfeinschreiben begründet zwar regelmäßig den Anscheinsbeweis der Zustellung, aber leider nicht immer (vgl. insgesamt Ante -Der Zugangsnachweis bei Einwurf-Einschreiben – NJW 2020, 3487). Es ist hierzu zumindest nach Auffassung vieler Arbeitsgerichte auch der Auslieferungsbeleg erforderlich. Dieser sollte immer abgefordert werden. Bei wichtigen fristgebundenen Erklärungen sollte aber immer der persönlichen Übergabe oder Zustellung der Vorzug gegeben werden. Das mag lästig oder aufwendig sein, ist aber immer günstiger als ein verlorener Prozess. Bei abwesenden Empfängern am besten zu zweit (damit Zeugen vorhanden sind), ein Handyfoto vom Briefkasten und Einwurf, eine kurze Aktennotiz -fertig. Zudem hat man gleichzeitig das Problem umgangen bzw. erkennt es rechtzeitig, dass kein beschrifteter Briefkasten unter der bekannten Anschrift vorhanden ist und deswegen die Zustellung nicht erfolgen kann. Es ist nicht selten, dass Empfänger bei der Erwartung unliebsamer Post den Namen vom Briefkasten entfernen. Ebenso wird oft behauptet, die Post sei bei einem namensgleichen (verwandten) Hausbewohner eingeworfen worden und nicht zugegangen. Diese Fehlerquellen können durch persönliche Zustellung leicht erkannt werden.

Rechtsanwalt Dr. Thilo H. Korn LL.M.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht