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Betriebsrätemodernisierungsgesetz seit 18.06.2021 in Kraft

Okt 1, 2021   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht, Arbeitsrecht  //  No Comments

Mit Wirkung zum 18.06.2021 ist relativ geräuschlos das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten. Die wichtigsten Änderungen für die Praxis dürften sein:

  • 87 I Nr. 14 BetrVG: explizites erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“; der BR ist jetzt zwingend zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber im Betrieb mobile Arbeit, z.B. Home Office, einführen will. Kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des „Ob“ der Einführung, nur hinsichtlich der Ausgestaltung!
  • § 30, 33, 34 BetrVG: Möglichkeit mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführter BR-Sitzung und Beschlussfassung wird gesetzlich geregelt; die Präsenzsitzung soll weiter vorrangig genutzt werden. Die Entscheidung obliegt allein beim BR! Der Arbeitgeber darf keine online-Sitzung (z.B. aus Kostengründen) verlangen.
  • § 76 III 4, 77 II 3, 112 I 1 BetrVG: Möglichkeit, Einigungsstellenspruch, Betriebsvereinbarung und Interessenausgleich und Sozialplan in elektronischer Form niederzulegen.
  • 15 KSchG, § 103 BetrVG: Ausweitung des Kündigungsschutzes für die Initiatoren von Betriebsratswahlen; unter anderem ist jetzt gesetzlich geregelt, dass Arbeitgeber vor der außerordentlichen Kündigung von Wahlbewerbern und Wahlvorstandsmitgliedern im betriebsratslosen Betrieb die Zustimmung des Arbeitsgerichts einholen müssen.
  • § 7, 14, 14a BetrVG: Erleichterungen der BR-Wahl durch Herabsetzung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre, Verringerung der erforderlichen Stützunterschriften, Erweiterung des vereinfachten Wahlverfahrens auf Betriebe mit bis zu 100 AN.
  • § 80 III, 90 I Nr. 3, 95 IIa BetrVG: Mitwirkungsrechte des BR, wenn der Arbeitgeber im Betrieb Künstliche Intelligenz einsetzen will.
  • 8 SGB VII: Unfallversicherungsschutz für Arbeit im Home Office

Praxistipp

Die Änderungen im BetrVG greifen im Wesentlichen die bereits gelebte Praxis auf, reagieren aber auch auf die Erfordernisse, die sich durch die Pandemie ergeben haben. Unter anderem wurde der Unfallversicherungsschutz jetzt auf die Arbeit im Home Office ausgeweitet. Die Mitbestimmung des BR bei mobiler Arbeit wurde jetzt festgeschrieben, bislang ergab sich diese nur in bestimmten Bereichen aus dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes. Im Bereich digitaler BR-Arbeit ist der Gesetzgeber noch zurückhaltend: Vorrang soll nach wie vor die Präsenzsitzung des BR haben, andernfalls sind Regelungen in der BR-Geschäftsordnung erforderlich. Im Übrigen soll durch die Erhöhung des Kündigungsschutzes und die Erleichterung der Wahlvorschriften wohl der Tendenz zu immer weniger Betrieben mit Betriebsrat Einhalt geboten werden. Es bleibt abzuwarten, ob der gesetzgeberische Wille Wirkung zeitigt und tatsächlich mehr Betriebsräte gegründet werden!

Rechtsanwältin Dr. Ute Schmidt
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Sozialrecht
Maître en Droit