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Neue Partnerin: Rechtsanwältin Dr. Dagmar Unger-Hellmich

Aug 1, 2017   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Zum 01.08.2017 ist

Frau Dr. Dagmar Unger-Hellmich
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

als Partnerin in unsere Kanzlei eingetreten. Dr. Unger-Hellmich war langjährig federführend in der arbeitsrechtlichen Abteilung der renommierten Kanzlei CMS Hasche Sigle am Standort Leipzig tätig und betreute dort zahlreiche namhafte Unternehmen und anspruchsvolle Privatmandanten.

Mit der Aufnahme von Dr. Unger-Hellmich vertiefen wir unsere Expertise als eine der führenden arbeitsrechtlichen Kanzleien in Mitteldeutschland insbesondere im Bereich des Vertragsrechts sowie des kollektiven Arbeitsrechts. Damit stehen Ihnen in unserem Hause nunmehr vier Fachanwälte für Arbeitsrecht sowohl individuell wie auch als Arbeitsgruppe zur Bearbeitung komplexer Vorgänge als Ansprechpartner und Berater zur Verfügung.

 

Vorsicht bei Verfallsklauseln!

Sep 6, 2016   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG.

Sachverhalt:

Die Klägerin war vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 beim Beklagten, der damals einen ambulanten Pflegedienst betrieb, als Pflegehilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Klägerin war vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In dem von der Klägerin am 2. Juni 2014 anhängig gemachten Verfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch sei jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat für den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegensteht.

Auswirkungen auf die Praxis:

Der Fall hat seit Inkrafttreten des MiLoG über den Anwendungsbereich der PflegeArbbV hinaus Bedeutung für die Wirksamkeit von Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen. Arbeitgeber sollten ihre Arbeitsverträge diesbezüglich prüfen und den Anwendungsbereich der Verfallsklauseln dahingehend einschränken, dass Ansprüche aus dem MiLoG und Ansprüche wegen vorsätzlichen Handelns nicht erfasst werden sollen. Andernfalls droht die Unwirksamkeit der gesamten Verfallsklausel. Arbeitnehmer können dann bis zur Grenze der Verjährung etwaige Ansprüche geltend machen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 44/16 zu BAG, Urteil vom 24.8.2016, Az.: 5 AZR 703/15
aus: http://juris.bundesarbeitsgericht.de

Dr. Ute Schmidt, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en Droit

BAG bestätigt hohe Hürden für wirksame krankheitsbedingte Kündigung

Okt 27, 2015   //   by tkorn   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:

1. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar. Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt.

2. Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die völlige Ungewissheit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit gleich, wenn – ausgehend vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann.

3. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber, der entgegen § 84 II SGB IX kein bEM durchgeführt hat, dessen objektive Nutzlosigkeit darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum – auch nach gegebenenfalls zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen – weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten beziehungsweise der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.

4. Ist dem Arbeitnehmer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung im Sinne des § 43 II SGB VI bewilligt worden, belegt dies allein nicht die objektive Nutzlosigkeit eines bEM.

BAG, Urteil vom 13.05.2015 – Az.: 2 AZR 565/14 – in: NZA 2015, 1249

Sachverhalt:

Der seit 2007 als Busfahrer beschäftigte Kläger war seit 28.11.2010 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Am 26.06.2012 wurde ihm rückwirkend zum 01.06.2011 eine zunächst bis 30.06.2014 befristete Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bewilligt. Die Beklagte kündigte daraufhin im Juli 2012 das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht aus personenbedingten Gründen. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) hatte sie zuvor nicht durchgeführt. ArbG und LAG wiesen die Kündigungsschutzklage ab.

Entscheidung:

Der Kläger war mit seiner Revision erfolgreich. Das LAG habe zwar zutreffend eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers angenommen. Die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründe eine entsprechende Indizwirkung, die der Kläger nicht entkräften konnte. Allerdings sei die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nicht ausreichend dargetan. Diese sei indiziert, wenn eine dauernde Leistungsunfähigkeit bestünde oder jedenfalls in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung zu rechnen sei. Vorliegend habe das LAG aber nur auf die verbleibende Dauer des Rentenbescheids und damit lediglich auf 23 Monate abgestellt. Schließlich habe die Vorinstanz zu Unrecht das Fehlen milderer Mittel angenommen, obwohl die Beklagte pflichtwidrig kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchgeführt habe. Daher treffe diese eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast, dass keine alternative leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, der sie nicht genügt habe, da auch das Vorliegen eines Rentenbescheids das bEM nicht entbehrlich mache.

Rechtsfolgen in der Praxis für Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Das BAG bestätigt erneut die strengen Anforderungen der Rechtsprechung an krankheitsbedingte Kündigungen. Arbeitgeber müssen alle drei Stufen der sozialen Rechtfertigung (Negativprognose, Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, Verhältnismäßigkeit inkl. bEM) darlegen und ggf. beweisen. Die Indizwirkungen zur Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast werden von der Rechtsprechung eng auslegt. Das zeigt sich insbesondere darin, dass das BAG als Prognosezeitraum mindestens 2 Jahre fordert und den hier vorliegenden Zeitraum von 23 Monaten als zu kurz ablehnt. Auch verdeutlicht die Entscheidung den faktisch nahezu zwingenden Charakter des bEM. Das BAG bleibt zwar dabei, dass das bEM keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung darstellen soll. Gleichzeitig führt dessen Fehlen aber dazu, dass an den Arbeitgeber immens hohe Darlegungsanforderungen unter Einbeziehung der Erfolglosigkeit hypothetischer alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten gestellt werden. Konkrete Vorgaben zum inhaltlichen Ablauf des bEM macht die Rechtsprechung indes weiterhin nicht, so dass hier Gestaltungsspielraum verbleibt. Stets empfehlenswert ist aber die Dokumentation der Einladung zum bEM einschließlich Hinweis auf dessen Ziele nebst Zugangsnachweis beim Arbeitnehmer. Zudem zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 03.06.2015 – Az. 6 Sa 396/14 – dass der Arbeitgeber selbst dann, wenn der Arbeitnehmer monatelang nicht auf ein Angebot zur Durchführung des bEM reagiert, nicht von der Durchführung des bEM befreit ist. Er kann nur dann von der Durchführung des bEM absehen, wenn der Arbeitnehmer das bEM nach ausreichender Belehrung ausdrücklich abgelehnt hat und dies vom Arbeitgeber dokumentiert worden ist.

Dr. Ute Schmidt, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en Droit

Banken dürfen in Verträgen über Verbraucherkredite kein Bearbeitungsentgelt verlangen

Mai 22, 2014   //   by Nadine Höfner   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Vorformulierte Bestimmungen über ein Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher sind unwirksam.

Sachverhalt

In zwei parallel gelagerten Verfahren begehrte der Kläger als Darlehensnehmer von der beklagten Bank die Rückzahlung des von der Beklagten beim Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags berechneten Bearbeitungsentgelts. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Rechtliche Würdigung

In beiden Verfahren hat der Bundesgerichtshof die Revisionen der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen. Die jeweiligen Bestimmungen über das Bearbeitungsentgelt unterliegen als allgemeine Geschäftsbedingungen  (AGB) der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB  und halten dieser nicht stand.

Ausgehend von der jeweils ausdrücklichen Bezeichnung als „Bearbeitungsentgelt“ hätten die beklagten Banken ein zusätzliches Entgelt zur Abgeltung ihres Bearbeitungsaufwandes im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Auszahlung der Darlehensvaluta verlangt.

Beim Darlehensvertrag stellt der gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Darlehensnehmer zu zahlende Zins den laufzeitabhängigen Preis für die Kapitalnutzung dar. Mit einem laufzeitunabhängigen Entgelt für die „Bearbeitung“ eines Darlehens wird nicht die Gewährung der Kapitalnutzungsmöglichkeit „bepreist“. Das Bearbeitungsentgelt stellt sich auch nicht als Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbständige, gesondert vergütungsfähige Leistung der Beklagten dar. Es werden lediglich Kosten für Tätigkeiten auf die Kunden der Beklagten abgewälzt, die die Beklagten im eigenen Interesse erbringen oder auf Grund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen haben.

Die streitigen Klauseln sind  unwirksam, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucherdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB haben die Beklagten anfallende Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitabhängig bemessenen Zins zu decken und können daneben kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen.

Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.05.2014, Az. XI ZR 405/12, XI ZR 170/13

Quelle: Pressemitteilung des BGH, http://juris.bundesgerichtshof.de

 

 

Weihnachtsgeld auch bei Kündigung

Nov 22, 2013   //   by Nadine Höfner   //   Arbeitsrecht, Arbeitsrecht  //  No Comments

Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Die Parteien haben über einen Anspruch auf eine als „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnete Sonderzahlung für das Jahr 2010 gestritten. Der Kläger war seit 2006 bei der Beklagten, einem Verlag, als Controller beschäftigt. Er erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Die Beklagte übersandte jeweils im Herbst eines Jahres ein Schreiben an alle Arbeitnehmer, in dem „Richtlinien“ der Auszahlung aufgeführt waren. In dem Schreiben für das Jahr 2010 hieß es ua., die Zahlung erfolge „an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden; Verlagsangehörige sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September 2010. Mit der Klage hat er anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung begehrt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Beklagte entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung verurteilt. Die Sonderzahlung soll nach den Richtlinien einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit die Betriebstreue belohnen, dient aber zugleich der Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit. In derartigen Fällen sind Stichtagsregelungen wie die in den Richtlinien vereinbarte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteiligt den Kläger unangemessen. Sie steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Der Vergütungsanspruch wurde nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderzahlung Gegenleistung vornehmlich für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere – vom Kläger nicht erbrachte – Arbeitsleistungen sein sollte, sind nicht ersichtlich.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 13. November 2013 – 10 AZR 848/12 –

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 19. April 2012 – 7 Sa 1232/11 –

Quelle: Pressemitteilung des BAG, http://juris.bundesarbeitsgericht.de

Franz Miethe, Rechtsanwalt

Eine Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist zulässig

Jul 1, 2013   //   by Nadine Höfner   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Eine Kündigung muss bestimmt und unmissverständlich erklärt werden. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Regelmäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll.

BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – Az.: 6 AZR 805/11 – Quelle: Pressemitteilung des BAG, http://juris.bundesarbeitsgericht.de:

Sachverhalt:

Die Klägerin erhielt vom Insolvenzverwalter ihrer Arbeitgeberin mit Schreiben vom 03.05.2010 die ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Das Kündigungsschreiben führt im Weiteren aus, welche Kündigungsfristen sich aus § 622 BGB ergeben und dass § 113 InsO eine Begrenzung der gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist auf drei Monate bewirke, sofern sich eine längere Frist ergebe. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung.

Rechtliche Würdigung des BAG:

Das Arbeitsverhältnis hat mit Ablauf des 31. August 2010 geendet. Die Kündigungserklärung ist ausreichend bestimmt. Die Klägerin konnte dem Kündigungsschreiben unter Berücksichtigung ihrer Betriebszugehörigkeit entnehmen, dass § 113 InsO zu einer Begrenzung der Kündigungsfrist auf drei Monate führt, ihr Arbeitsverhältnis also zum 31. August 2010 enden sollte. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

Rechtsfolgen in der Praxis für Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Form, Frist und Zustellung der Kündigung sind „Dauerbrenner“ im Kündigungsschutzprozess. Zur Form hat das BAG hier – zugunsten des Arbeitgebers – entschieden, dass die Arbeitgeberkündigung wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer auch ohne Nennung eines konkreten Beendigungstermins mittels der Angaben im Kündigungsschreiben den auf ihn zutreffenden Kündigungstermin entnehmen konnte.

Nach wie vor müssen Arbeitgeber berücksichtigen, dass der Beendigungstermin für den Arbeitnehmer bestimmbar sein muss. Im Ergebnis sind Arbeitgeber weiterhin gut beraten, die Kündigung zu einem konkreten Termin und höchstvorsorglich zum nächstmöglichen Termin auszusprechen. Alternativ kann auf die einschlägige gesetzliche, tarif- oder einzelvertragliche Vorschrift verwiesen werden, aus der sich eindeutig der Beendigungstermin für den Arbeitnehmer ergibt. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht über seinen Beendigungstermin im Ungewissen gelassen wird.

 

Ute Schmidt, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en Droit

BAG stärkt Kündigungsschutz

Mai 15, 2013   //   by Nadine Höfner   //   Arbeitsrecht  //  No Comments

Das Kündigungsschutzgesetz bietet Arbeitnehmern eine Vielzahl von Möglichkeiten, gegen eine Kündigung rechtlich vorzugehen. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt es allerdings für nach dem 31.12.2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Bisher wurden bei der Ermittlung der Betriebsgröße Leiharbeitnehmer nicht mitberechnet. Das BAG hat nunmehr mit einer Entscheidung den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes erweitert und festgestellt, dass bei der Berechnung der Zahl der Beschäftigten auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies folge aus einer orientierten Auslegung der gesetzlichen Bestimmung, die sich an deren Sinn und Zweck orientiert.

Der klagende Arbeitnehmer war seit 2007 bei seinem Arbeitgeber mit neun weiteren Arbeitnehmern beschäftigt. Im November 2009 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, weil nach ihrer Auffassung das Kündigungsschutzgesetz nicht angewendet werden konnte. Die Leiharbeitnehmer fanden keine Berücksichtigung.

Die anschließende Revision des Klägers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Das BAG urteilte, dass der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht schon entgegenstünde, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet hätten. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes solle der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringe, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belaste. Dies rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruhe.

Das BAG verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück. Es stehe noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt gewesen seien. Hierüber wird das Landesarbeitsgericht Nürnberg anhand der konkreten Betriebsstrukturen zu entscheiden haben.

(BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 140/12)

Franz Miethe, Rechtsanwalt

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